Im Banne des Zauberers

Dieser Artikel erschien im Heft 4/91 des deutschen KiTCAR Magazine

 

Die Sehnsucht nach Fahrtwind, einer langen Motorhaube, Leder, Wurzelholz und einem Stück Zeltstoff als Verdeck - den klassischen Roadsterelementen also - veranlaßte Uli Brauchrowitz, sich auf dem Roadstermarkt umzusehen. Ein gebrauchter, jedoch "Klassik pur"- vermittelnder Merlin Plus 2 erfüllte schließlich alle Träume, doch der Weg, der zum "Zauberer" führte war steinig und mühselig. Unser Leser berichtet von Erfahrungen auf dem Roadster-Gebrauchtwagenmarkt und über die "Inkarnation" des klassischen Roadsters, den Merlin Plus 2.

Ein Super Seven war meiner Freundin zu spartanisch, ein Dutton ebenfalls. Da ich selbst nach Möglichkeit keinen VW-Käfermotor als Antrieb haben wollte, blieben nach reiflicher Überlegung und zusätzlicher Überprüfung der Geldbörse nur zwei Fahrzeuge zu suchen: Entweder ein Jaguar SS 100 oder ein recht seltener Merlin Plus 2.

Die Entscheidung für ein bestimmtes Modell war getroffen. Fortan wurden die Anzeigenteile verschiedenster Zeitschriften gewälzt, wurde selbst annonciert und nach einiger Zeit festgestellt, daß der Roadstertraum nicht einfach zu realisieren ist.
Von tollen Hochglanzfotos und Prädikaten wie "1a Zustand, neuwertig, Topzustand" mehrmals durch die ganze Bundesrepublik gelockt, stand Uli Bauchrowitz letztendlich doch meist vor wenig lukrativen Objekten. Die Besitzer entpuppten sich zumeist als "Nicht-Liebhaber", Zufallsbesitzer, oder gar Spekulanten, entsprechend überzogene Preisvorstellungen standen somit auf der Tagesordnung.

Fast ein ganzes Jahr war vergangen, die Hoffnung, ein den Vorstellungen entsprechendes Fahrzeug zu finden gegen-Null gesunken, als schließlich Licht und somit das Ende des Tunnels zu erblicken war. In jenem Licht erstrahlte ein in traditionellem british-racing-green lackierter Merlin Plus 2, für Roadsterfans ein wahres Objekt der Begierde und als solches von Uli Brauchrowitz gekauft.

"Mit dem Merlin erlebt man klassisches Fahren pur", so der stolze Neubesitzer. Das Fahrverhalten ist mit vorderer Einzelradaufhängung und hinterer Starrachse recht gutmütig, das Fahrwerk insgesamt aber knüppelhart gefedert. Selbst Spax-Stoßdämpfer in ihrer weichsten Einstellung machen den Merlin zu einem Schlaglochspührgerät. Dann ächtzt, knarrt und rumpelt es an allen Ecken, obwohl alle Teile bombenfest verschraubt sind.
Dafür wird man auf guten Straßen durch jenes ureigene Roadsterfeeling belohnt, das Uli Bauchrowitz schwärmerisch als "Gefühl der Gückseligkeit" benennt: "Mit Lederhaube und Sturmbrille, nur durch kleine Brooklands vor dem Fahrtwind geschützt, nach einem kalten Winter den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings entgegenzubrausen, einfach unbeschreiblich."

Der Merlin ist kein Auto für Raser, die Ford V6 Maschine mit 2 Liter Hubraum und 90 PS mag keine hohen Drehzahlen. Die Fahrleistungen sind nicht atemberaubend, aber eigentlich völlig ausreichend, denn bei tiefer Sitzposition und achtzylinderähnlichem Sound, initiiert durch einen zweiteiligen Spezialauspuff, ist ein gemächliches Dahingleiten angesagt. Da bleibt genügend Zeit, sich in der Innenausstattung aus echtem Leder zu räkeln, oder die zahlreichen VDO Classic-Instrumente abzulesen, die standesgemäß in ein Ambiente aus Wurzelholz und Messing eingebettet sind.
Neben dem V6 Motor stammen auch das 4-Gang-Getriebe, Vorder- und Hinterachse, sowie die komplette Bremsanlage von Ford.

Einen guten Kontrast zu der grünen Karosserie aus GFK, die mit soliden Türen und Hauben versehen ist und durch ihre klassische Form besticht, bilden die zahlreichen Chromteile wie Aston Tankverschluß, die Kofferträger, Stoßstangen, Lucas-Hauptscheinwerfer und Positionsleuchten, Plakettenstange, Türgriffe oder beispielsweise die Scheibenhalterungen.

Doch wie so oft im Leben ist auch beim Merlin nicht alles "Chrom", was glänzt.
Einige Unannehmlichkeiten mit dem Fahrzeug blieben nämlich auch Uli Bauchrowitz nicht erspart. Nach nur zwei Ausfahrten gab das Getriebe auf. Ein gutes Getriebe vom Schrott kostete zwar nur 150.- DM, doch der Einbau erwies sich als schwierig, weil eine Querstrebe des Rohrrahmens direkt unter dem Getriebe liegt. Den ins Haus stehenden Motorausbau dankte die Werkstatt mit einer Rechnung von ca. 1000.- DM. Das Ventilspiel des Motors mußte ebenso wie die Spur eingestellt werden, was wiederum etwa 250.- DM verschlang. Die komplette Zündanlage erwies sich als marode, deshalb wurden schleunigst Kabel, Kondensator und Spule ausgewechselt, was mit weiteren 200.- DM zu Buche schlug.

Von der Motorseite her traten also Probleme auf, die weniger als "merlintypische" sondern vielmehr als bei Gebrauchtwagen gängige Probleme identifiziert werden können, während der Motorausbau bei Getriebereparaturen eindeutig auf Kosten der merlin´schen Rohrrahmenkonstruktion geht.

Aber gerade dieser, übrigens im Bereich der Vorderachse und den Kotflügeln noch verstärkte und modifizierte Rohrrahmen, bildet die Basis für das Fahrzeug, das für Uli Bauchrowitz den klassischen Roadster repräsentiert:
"Kompromißlos, hart und kernig! Keine Replica, sondern ein eigenständig konzipiertes Fahrzeug mit soliden Fahreigenschaften und einfacher Ersatzteilversorgung, doch leider nicht mehr zu bekommen." Nach Aussage der Vertreiberfirma Mohr ist der Merlin nicht mehr lieferbar.

KitCarMagazine 4/91

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